In Reinbek liegt das 12. Kompetenzzentrum für Menschen mit angeborenen hohen Cholesterinwerten

Das Nierenzentrum Reinbek und Geesthacht und seine Kooperationspartner wurden von der Deutschen Gesellschaft für Lipidologie für ihre hohe Expertise ausgezeichnet 

In ganz Deutschland gibt es nur wenige Kompetenzzentren, die von der zuständigen Fachgesellschaft für die Behandlung von Patienten mit Fettstoffwechselstörungen anerkannt sind. Das 12. Zentrum sitzt in Reinbek und wurde gerade von der Deutschen Gesellschaft für Lipidologie (DGFL) zertifiziert – es ist das einzige nördlich von Hannover. Prof. Dr. Markus Meier vom Nierenzentrum Reinbek und Geesthacht ist stolz: „Das ist wirklich ein exklusiver Club, in dem wir da jetzt als Praxis mit unseren vielen Kooperationspartnern aufgenommen wurden. Danke an alle niedergelassenen Praxen und das Krankenhaus Reinbek, denn nur gemeinsam in einem Netzwerk können wir die geforderte Expertise eines Kompetenzzentrums erfüllen und Menschen mit sehr hohen Cholesterinwerten umfassend helfen.“ 

Meier ist eigentlich Nierenarzt, hat aber seit 2012 auch die Zusatzbezeichnung Lipidologie, um sich als Arzt speziell um Patienten mit Fettstoffwechselkrankheiten kümmern zu dürfen. „Die Maschinen, mit denen wir das Blut waschen, wenn die Nieren versagen, sind schon sehr ähnlich wie die Geräte, mit denen wir eine so genannte Lipidapherese, also plakativ ausgedrückt eine Fettwäsche durchführen. Als Oberarzt an der Uniklinik in Lübeck habe ich mich auf die Apherese spezialisiert. Und es ist toll, dass man – wenn bei den schwerkranken Patienten gar nichts anderes mehr hilft – ein Ass im Ärmel hat und durch das Herausfiltern der Fette aus dem Blut weitere Gefäßkomplikationen wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle vermeiden kann.“ 

Für Menschen mit einem genetischen Fehler ist die Lipidapherese als Ultima Ratio-Behandlungein Segen

Die Patienten, die Meier und das Krankenhaus Reinbek behandeln, entsprechen dabei nicht der Norm. Kardiologie-Chefärztin Dr. Britta Goldmann sagt: „Wir haben manchmal junge Patientinnen und Patienten bei uns im Herzkatheterlabor, schlank und sportlich, Nichtraucher und trotzdem ist es schon ihr zweiter oder dritter Herzinfarkt, weil ihre Gefäße verschlossen sind. Bei ihnen lässt sich das LDL-Cholesterin oder das Lipoprotein (a), also die schlechten Fette im Blut, weder mit einer gesunden Lebensweise noch Medikamenten senken. Für diese Menschen mit einem genetischen Fehler ist es ein Segen, dass es die Lipidapherese als Ultima Ratio-Behandlung gibt.“ 

Jeden Donnerstag besprechen mehrere Fachdisziplinen in einer Konferenz Krankenhaus-Patienten mit familiärer Vorbelastung und Gefäßerkrankungen. Dort wird gemeinsam mit Prof. Meier beraten, ob es noch eine neue medikamentöse Therapie gibt oder ob bei der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein ein Antrag auf die Übernahme der Kosten für eine Lipidapherese gestellt werden sollte. Mit am Tisch sitzen neben den Kardiolog:innen auch Gefäßchirurg:innen und Radiolog:innen aus dem St. Adolf-Stift, denn sie behandeln Patienten, die Engstellen an der Halsschlagader oder Durchblutungsstörungen an den Beinen haben, die ebenfalls durch Gefäßverengungen entstehen

Wenn familiär gehäuft Herzinfarkte und Schlaganfälle auftreten, sollten junge Menschen ihre Cholesterin-Werte kennen

Radiologie-Chefarzt Prof. Dr. Gerrit Krupski-Berdien sagt: „Gerade, wenn der Cholesterinwert von jungen Menschen nicht bekannt ist oder schlecht eingestellt ist, dann sehen wir hier Gefäßerkrankungen als Notfälle, die normalerweise Menschen in viel höherem Alter oder mit langer Geschichte als Raucher aufweisen. Einfach, weil sie genetisch vorbelastet sind.“ Er rät: „Wenn bei Ihnen in der Familie, vor allem elterlich, hohe Cholesterinwerte bekannt sind oder das Lipoprotein (a) auffällig ist, es gehäuft Herzinfarkte und Schlaganfälle gibt, dann sollten sich auch sehr junge Menschen einmal testen lassen. Die Krankenkasse bezahlt die Bestimmung des Cholesterins einmal mit 18 Jahren und dann auch im ‚Checkup 35‘ alle 3 Jahre. Die Untersuchung des Lipoproteins (a) wird in der Vorsorge allerdings noch nicht erstattet. Um Gewissheit zu haben, kann man beim Hausarzt die Kontrolle des Lipoproteins (a) jedoch für etwa 12 Euro als Selbstzahlerleistung in Auftrag geben.“

Auch die Fachgesellschaft rät dazu. Markus Meier erklärt: „Im Juni ist traditionell Tag des Cholesterins. Dann ruft die Deutsche Gesellschaft für Lipidologie dazu auf, seine Fettwerte im Blut untersuchen zu lassen. Dabei ist die Devise: Je früher, desto besser. Nur so werden angeborene Fettstoffwechselstörungen erkannt, bevor sie Probleme verursachen. Denn das Tückische ist: Hohe Cholesterinwerte verursachen lange Zeit keine Beschwerden. Wer sein Risiko kennt, kann rechtzeitig gegensteuern und Gefäßschädigungen und schwere Folgeerkrankungen vermeiden.“

 

Hintergrund-Informationen

Was ist eine Lipoprotein-Apherese und für wen ist diese Behandlung die Ultima Ratio?

Zitate: Prof. Dr. Markus Meier, Nephrologe mit Zusatzbezeichnung Lipidologie

Bei der Lipoprotein-Apherese wird in einer zwischen 2 und 3 Stunden dauernden Behandlung das LDL-Cholesterin und das Lipoprotein (a) im Blut mit Hilfe von externen Filtern um bis zu 75-80% reduziert. Danach steigt beides wieder an und die nächste Fettwäsche ist nach einer Woche notwendig. 

Die Anträge an die Kostenträger zur Lipid-Apherese werden vom Kompetenzzentrum gestellt. Dafür müssen von entsprechenden Fachärzten spezielle Gutachten über die Patienten vorliegen. Da das Verfahren sehr aufwendig und teuer ist, kommt es nur für Patienten mit Fettstoffwechselstörungen in Betracht, wenn eine Lebensumstellung und die medikamentöse Therapie auch nach über einem Jahr nicht zum Erreichen des Zielwertes für das LDL-Cholesterin oder das Lipoprotein(a) führt und gleichzeitig ein hohes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle vorliegt (belegt etwa durch Screenings der Halsschlagader oder anderer Gefäße).

Mehr Infos und Terminvergabe unter: www.lipidzentrum-reinbek.de

Wie wird man Lipidologisches Kompetenzzentrum nach DGFL?

Zur Förderung von Prävention, Diagnostik und Therapie von Fettstoffwechselstörungen soll die Bildung von „Lipidologischen Kompetenzzentren und Netzwerken“ sowie „Lipid-Ambulanzen“ gefördert werden. Die Zertifizierung von derartigen Versorgungsstrukturen durch die DGFL–Lipid-Liga e. V. soll eine qualitativ hochwertige Betreuung der von einer Fettstoffwechselstörung betroffenen Menschen in Deutschland sicherstellen. Mit der Zertifizierung wird die besondere diagnostische und therapeutische Qualifikation der geprüften Kliniken, Versorgungszentren, Ambulanzen und Praxen auf dem Gebiet der Lipidologie ausgewiesen. Im Vergleich zur Zertifizierung als Lipid-Ambulanz, muss ein Lipidologisches Kompetenzzentrum einen weitaus umfangreicheren Anforderungskatalog erfüllen:

  • Mindestens 400 Patient:innen mit einer gesicherten Fettstoffwechselstörung müssen pro Jahr in einem Lipidologischen Kompetenzzentrum und Netzwerk behandelt und umfangreich dokumentiert werden. 
  • Es ist eine breit gefächerte lipidologische Erfahrung mit langjähriger praktischer Tätigkeit in einer Lipid-Sprechstunde aufzuzeigen. Es müssen mindestens zwei Lipidolog:innen DGFL im Kompetenzzentrum hauptamtlich tätig sein. Mindestens einer muss bereits sehr erfahren sein und spezielle Fortbildungen sowie Vortrags- und Publikationstätigkeit in Bereich Lipidologie nachweisen.
  • Das Zentrum muss Anlaufstelle für Hausärzt:innen und anderen niedergelassenen sowie im stationären Bereich tätigen Spezialist:innen dienen (zur Überweisung von Patient:innen und zur Beantwortung lipidologischer Fragestellungen).
  • Das Netzwerk muss aus sehr vielen Expert:innen bestehen, dazu gehören klinische Expert:innen, die umfangreiche Diagnostik und Eingriffe stationär durchführen können (Kardiologie, Gefäßchirurgie, Gastroenterologie, Gynäkologe) und niedergelassene Spezialist:innen (z.B. Diabetologie, Lipidologie, Labormedizin, Neurologie, Dermatologie, Pädiatrie) bis hin zu Rehakliniken.

Mehr Infos unter: https://www.lipid-liga.de/fuer-aerztinnen/fortbildung-und-zertifizierung/lipid-kompetenzzentrum/